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Schladminger Gesundheitsgespräche 2013: Screenings sparen langfristig Gesundheits-Kosten und retten Leben

Neue Screening-Programme helfen bei der rechtzeitigen Entdeckung vieler Volkskrankheiten

Der Verband der Leitenden Krankenhausärzte Österreichs (VLKÖ) veranstaltete am 7. und 8. Juni gemeinsam mit der Ärztekammer für Steiermark die 13. Schladminger Gesundheitsgespräche zum Thema „Nützen Screening und Prävention der Gesundheit?“. Neben dem bereits implementierten Darm-Screening und dem ab Herbst 2013 umgesetzten Mamma Screening verwiesen Experten des Gesundheitswesens auf eine Reihe weiterer Screening-Programme, mit denen Volkskrankheiten wie Krebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen rechtzeitig entdeckt werden können.

„Screening ist die Vorstufe zur kurativen Medizin. Dabei wird versucht, durch gezielte, regelmäßige Untersuchungen chronische wie bösartige Krankheiten in einem möglichst frühen Stadium zu entdecken. Durch Screening-Programme kann ein möglichst großer Teil der Bevölkerung erreicht werden und die Chancen auf Heilung steigen,“ betont Univ. Prof. Dr. Reinhart Waneck, Vizepräsident des VLKÖ. Derzeit fließen allerdings rund 90% des Gesundheitsbudgets in die kurative Medizin und viel zu wenig in die Prävention, so Waneck.

Prim. Univ.-Doz. Dr. Otto Traindl, Präsident des VLKÖ, sieht in Screening und Prävention die Zukunft der Gesundheitsversorgung: „Screening-Programme verursachen primär zwar höhere Kosten. Durch das Verhindern später auftretender Krankheiten können jedoch die Ausgaben im Gesundheitsbereich langfristig deutlich gesenkt werden.“

„Alarm im Darm“ – Screening-Programm zur Fahndung nach dem Dickdarmkarzinom bereits implementiert

Der Dickdarmkrebs gehört zu den drei häufigsten bösartigen Tumoren in Österreich. Er betrifft beide Geschlechter zumeist ab dem 60. Lebensjahr und ist in einem frühen Stadium operativ ausgezeichnet heilbar. Seine Vorstufe ist nahezu immer ein Adenom – ein gutartiger Polyp, aus dem sich erst im Laufe von Jahren das Karzinom entwickelt. Polyp und Frühstadium des Karzinoms sind zumeist asymptomatisch. Aus diesem Grund ist ab dem 50. Lebensjahr, auch bei Beschwerdefreiheit, die Vorsorgeuntersuchung des Dickdarms angezeigt.

Das Darmscreening-Programm ist bereits implementiert und wird von Krankenkassen bezahlt. Weitere Informations- und Aufklärungsarbeit dazu ist jedoch dringend notwendig: „Medizinischen Laien ist das hohe – auch genetisch bedingte – Risiko eines Dickdarmkarzinoms wenig bekannt, zudem haben sie Angst vor Untersuchungen wie der fälschlicherweise als schmerzhaft verschrienen Coloskopie. Ein probater Weg zur Motivation, sich einer Vorsorgeuntersuchung zu unterziehen, ist das Screening mittels Tests auf occultes (verborgenes) Blut im Stuhl,“ erläutert Prof. Dr. Max Wunderlich, Facharzt für Chirurgie. „Menschen mit positivem Occult-Test sollten einer Untersuchung des Dickdarms unterzogen werden. Die konsequente Anwendung solcher Methoden hilft, die noch immer zu hohe Sterblichkeitsrate an Dickdarmkarzinomen zu senken,“ so Wunderlich weiter.

Mamma-Screening-Programm startet im Herbst 2013 in ganz Österreich

In Österreich erkrankt jede 8. Frau an Brustkrebs, rund ein Viertel der Betroffenen verlieren den Kampf. Bei regelmäßiger Früherkennungsuntersuchung und rechtzeitiger Diagnose steigen die Heilungschancen jedoch auf über 80 Prozent. Univ.-Prof. Dr. Christian Singer, Leiter der Brustgesundheit an der Universitätsfrauenklinik Wien, betont die Wichtigkeit von Vorsorgeuntersuchungen: „Prävention ist absolut entscheidend für Patientinnen. Je früher Brustkrebs erkannt wird, desto höher sind die Heilungschancen. Wenn Frauen regelmäßig zur Früherkennung gehen, könnten 4 von 5 der dann entdeckten Karzinome aufgrund ihrer Kleinheit Brust erhaltend operiert werden.“

Im Herbst 2013 startet österreichweit das neue Brustkrebs-Screening-Programm, zu dem Frauen zwischen 45 und 69 Jahren in regelmäßigen Abständen (18 bis 24 Monate) zu Mammografie-Untersuchungen eingeladen werden. Gerechnet wird mit rund 700.000 Untersuchungen pro Jahr, die Kosten dafür werden von den Krankenkassen übernommen.

Prostatakarzinom-Screening reduziert Sterblichkeit um 50 Prozent – Kassen zahlen nicht

Bei Männern ist Prostatakrebs die häufigste Krebserkrankung. Der natürliche Krankheitsverlauf ist langsam und führt im Durchschnitt nach 10-15 Jahren zum Tod. Frühzeitig erkannt ist Prostatakrebs jedoch prinzipiell heilbar. Eine Diagnose im Frühstadium ist u.a. mit einem Bluttest (sog. PSA-Bestimmung) möglich, der in Österreich allerdings nicht von den Krankenkassen bezahlt wird.

„Neuere Studien weisen darauf hin, dass die Prostatakrebssterblichkeit durch ein PSA-Screening um bis zu 50% reduziert werden kann. Damit ist das Prostatakrebsscreening etwa vergleichbar mit dem deutlich aufwendigeren Brustkrebsscreening, das problemlos von den Kassen finanziert wird. Abwägen muß man aber doch auch eine nicht unerhebliche Anzahl von „Übertherapien“, weil es bis heute leider noch nicht gelingt, aggressive von weniger aggressiven Prostatakarzinomen zu unterscheiden,“ erläutert Urologe Prim. Dr. Erich Würnschimmel den aktuellen Stand des Prostatakarzinom-Screenings.

Herzkreislaufprävention und kardiovaskuläres Screening

Herzkreislauferkrankungen sind nach wie vor die führende Ursache für Erkrankungen und Sterblichkeit in Österreich. In den allermeisten Fällen handelt es sich dabei um chronische Erkrankungen, die über einen oft jahrzehntelang fortschreitenden Prozess zu einer Gefäßverengung und zu einem Gefäßverschluss führen. Die Ursachen dafür sind Cholesterinstoffwechselstörungen, Bluthochdruck, Blutzuckererkrankungen, Rauchen, psychosozialer Stress und falsche Ernährung.

Zusätzlich zu einer Vielzahl an Präventionsmaßnahmen gibt es heute auch eine Reihe an Untersuchungstechniken der Gefäße selbst, die neben den Risikofaktoren auch bereits minimale Erkrankungen der arteriellen Gefäße erkennen können. „Bei Patienten mit erhöhtem Risiko oder bereits erkrankten Gefäßen kann durch eine Therapie der Herzkreislauf-Risikofaktoren der gefäßverengende Prozess nicht nur zum Stillstand gebracht, sondern teilweise auch rückgebildet werden. Diese Maßnahmen können schwere Gefäßveränderungen verhindern, die unbehandelt letztendlich zu Herzinfarkt, Schlaganfall oder schweren Durchblutungsstörungen der Beine führen,“ hebt Internist Prim. Traindl die Bedeutung der rechtzeitigen Erkennung von Herzkreislauf-Erkrankungen durch kardiovaskuläres Screening hervor.

Lungen-Screening erkennt eine Vielzahl lebensbedrohlicher Krankheiten

Für die Lunge gibt es vier unterschiedliche Screening-Möglichkeiten. Neben dem Screening durch Lungenfunktion können auch Tuberkulose bei Gabe von Biologica (latente Tuberkulose), Lungen-Carcinom sowie Cystische Fibrose frühzeitig erkannt werden.

„Die chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen (COPD) wie chronische Bronchitis und Emphysem sind die vierthäufigste tödliche Krankheit der Welt. Sie betrifft mehr als 5 Prozent der Bevölkerung“ warnt Prim. Univ.-Prof. Dr. Meinhard Kneussl, Abteilungsvorstand der Lungenabteilung des Wiener Wilhelminenspitals. Patienten mit respiratorischen Symptomen wird daher von internationalen Fachgesellschaften (ERS, ATS, ACCP) seit 2011 ein Screening der Lungenfunktion empfohlen.

Das Lungenkarzinom-Screening wird in Form eines jährlichen Low-Dose-CT Hochrisikopatienten, das sind Raucher und Ex-Raucher zwischen 55 und 74 Jahren, empfohlen. „Prävention ist jedoch weitaus effektiver als Screening“, verdeutlicht Kneussl: „90 Prozent der Lungen-Carcinome sind Raucher-abhängig. Maßnahmen zur Raucherentwöhnung führen zu einer Reduktion von Prävalenz und Mortalität. Eine Reduktion von 20 auf 10 Zigaretten pro Tag reduziert das Carcinom-Risiko um 27 Prozent.“

Tuberkulose-Screening wird bei latenten Tuberkulose-Infektionen durchgeführt und betrifft vor allem Personen mit erhöhtem Risiko. Bei Neugeborenen sollte standardmäßig ein Screening auf Cystische Fibrose (Mukoviszidose) durchgeführt werden, da dies die häufigste automosal rezessive Erbkrankheit ist.

Screening für „weißen“ und „schwarzen“ Hautkrebs noch in den Anfängen

Das Melanom („schwarzer Hautkrebs“) ist mit einer jährlichen Neuerkrankungsrate von 15 pro 100.000 zwar wesentlich seltener als maligne epitheliale Neoplasien („weißer Hautkrebs“), übertrifft jedoch alle anderen Hautkrebsformen in Bezug auf Mortalität und Verlust an produktiven Lebensjahren. In Bezug auf die optimale Screeningstrategie gehen Expertenmeinungen noch auseinander, was teilweise auf unvollständige Datenlagen zurückzuführen ist.

Univ.-Prof. Dr. Harald Kittler von der Medizinischen Unversität Wien verweist in diesem Zusammenhang jedoch auf aktuell veröffentlichte Studienergebnisse eines groß angelegten Bevölkerungsscreenings in Schleswig-Holstein: „Im Rahmen eines Pilotprojekts, das von 2003 bis 2004 im Vorfeld der bundesweiten Einführung des gesetzlichen Hautkrebs-Screenings im Jahr 2008 stattfand, wurden über 350.000 Menschen kostenlos untersucht. Nach Auswertung der Daten starben 5 Jahre nach Beginn des Hautkrebs-Screenings halb so viele Menschen an einem Melanom wie vor dem Screening.“

Trotz dieser vielversprechenden Daten seien nach wie vor einige wichtige Punkte ungeklärt oder umstritten wie zum Beispiel das Problem falsch positiver Befunde durch das Screening, so Kittler.

Im Rahmen der Schladminger Gesundheitsgespräche äußerte der VLKÖ in Anwesenheit von Dr. Josef Probst, Generaldirektor der Hauptverbands der österreichischen Sozialversicherungsträger, auch seine Wünsche an die Gesundheitsreform: „Erstrebenswert für die Zukunft ist eine bessere Kooperation von intra- und extramuraler Gesundheitsversorgung, um Doppelgleisigkeiten zu vermeiden und eine möglichst gute Auswahl der Patienten treffen zu können, die tatsächlich im Krankenhaus behandelt werden müssen,“ so Präsident Traindl.


Der Verband der leitenden Krankenhausärzte Österreichs (VLKÖ) fördert als Vertreter einer entscheidenden Gruppe ärztlicher Führungskräfte den Kontakt und Erfahrungsaustausch mit allen im Krankenhauswesen tätigen physischen und juristischen Personen, medizinischen Universitäten und Akademien einschließlich der ärztlichen Ausbildung. Zudem unterstützt der VLKÖ die gegenseitige, interdisziplinäre Information seiner Mitglieder in ihrer Funktion als leitende Ärzte und steht Spitalserhaltern und dem für die Belange des Gesundheitswesens zuständigen Bundesministerium beratend zur Seite. Weitere Informationen unter: www.leitendekrankenhausaerzte.at