ÖGDV warnt: Klimawandel führt zu mehr Beschwerden bei Allergikern
Neue Daten zeigen Auswirkungen von Luftverschmutzung und Klimawandel auf Patienten mit allergischen Erkrankungen
Allergische Erkrankungen haben in Österreich seit 2012 um mehr als 13 Prozent zugenommen[1]. Da sich die rasche Zunahme allergischer Erkrankungen in den letzten Jahren nicht allein durch Vererbungsmodelle erklären lässt, gehen Forscher und Mediziner zusätzlich von einem Einfluss der Umwelt auf die Entstehung von Allergien aus. Die dramatische Zunahme der Luftverschmutzung durch Feinstaub, Abgase, Stickstoff, Ozon oder Tabakrauch sowie die Effekte der globalen Erderwärmung belasten die Gesundheit aller Lebewesen. Studien zeigen nun, dass der Klimawandel deutliche Auswirkungen auf die Gesundheit der menschlichen Atemwege hat, in dem er zu einer erhöhten Konzentration von inhalativen Allergenen, wie Pollen oder Schimmelpilzen, sowie intensiverer und verlängerter Blütezeit verschiedener Pflanzen führt.
Erderwärmung erhöht Pollenbelastung und verlängert Pollensaison
Die Häufigkeit von allergischem Asthma bronchiale und allergischer Rhinokonjunktivitis hat in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen. Belastungen durch den Klimawandel können bestehendes Asthma nicht nur deutlich verschlechtern, sondern es auch neu entstehen lassen[2]. „Höhere Temperaturen und steigende CO2-Belastungen führen zur Verlängerung der Allergiesaison, zu verstärkten Blühphasen der Pflanzen und erhöhten Konzentrationen von inhalativen Allergenen“, erklärt Dr.in Christine Bangert, Oberärztin an der Universitätsklinik für Dermatologie der Medizinischen Universität Wien und Leiterin der Arbeitsgruppe Allergologie der Österreichischen Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie (ÖGDV). „Viele Pollenarten blühen schon viel früher und belasten Allergiker dadurch zusätzlich. Luftverschmutzende Substanzen wie z.B. Stickstoffdioxid, das man vor allem in städtischen Gebieten findet, beeinflussen biologische Funktionen von Allergenen durch eine Änderung der Pollenoberfläche, was zu verstärkten entzündlichen Reaktionen führt und die Entstehung von Allergien begünstigt“, so Bangert.
Auch die Menge von Schimmelpilzen und Hausstaubmilben wird durch den Klimawandel verändert: Flutkatastrophen und starke Regenfälle können eine massive Zunahme von häuslichen Schimmelpilzkonzentrationen verursachen, und erhöhte Luftfeuchtigkeit bei höheren Temperaturen verursacht eine höhere Belastung durch Hausstaubmilben. Aber nicht nur vermehrte inhalative Allergene belasten die Atemwege der Menschen. Luftverschmutzung durch fossile Brennstoffe, die maßgeblich an der erhöhten CO2-Belastung beteiligt sind, verursachen eine deutliche Beschwerdezunahme durch Heuschnupfen und Verschlimmerungen von allergischen Atemwegserkrankungen. Kinder, die bereits früh starker Luftverschmutzung ausgesetzt sind, entwickeln häufiger asthmatische Erkrankungen. „Ein Drittel der kindlichen Fälle von Asthma könnten auf Luftverschmutzung zurückzuführen sein. Aber auch Gewitter haben Auswirkungen auf Asthmatiker: Bis zu 6-mal so viele Patienten als sonst erleiden nach schweren Gewittern teils fatale Asthmaanfälle und müssen in Krankenhäusern behandelt werden“, erklärt Bangert.
Klimawandel begünstigt Neurodermitis und Zunahme von Beschwerden
Die menschliche Haut wird durch eine Barriere der Oberhaut geschützt, die wichtige mechanische und immunologische Abwehrmechanismen enthält und gleichzeitig die wichtigste Kontaktoberfläche zur Umwelt darstellt. „Bei funktionellen Störungen dieser Barriere durch giftige oder gesundheitsschädliche Substanzen aus der Umwelt können die Entstehung allergischer und autoimmuner Krankheiten begünstigt werden. Die Barriere wird durchlässig und die normale bakterielle Besiedlung wird gestört, was zu kaum wahrnehmbaren Entzündungen führen kann und dadurch die Entstehung von Krankheiten wie Neurodermitis begünstigt“, erläutert Bangert.
Auch bei Menschen, die bereits unter Neurodermitis leiden, kann der Klimawandel zu einer Zunahme der Krankheitsbeschwerden führen. So können Flutkatastrophen bei Kindern starke Krankheitsschübe auslösen, die vor allem auf erhöhte Schimmelpilzkonzentrationen in den betroffenen Gebieten zurückzuführen sind. Auch Belastungen durch Feinstaub, Stickstoffdioxid und Ozon verbunden mit zusätzlicher Pollenbelastung können Schübe bei Patienten mit Neurodermitis hervorrufen.
„Bei der Beratung und diagnostischen Abklärung von Patienten mit allergischen Erkrankungen wie Asthma bronchiale, Heuschnupfen oder Neurodermitis sollten Mediziner zusammen mit Patienten potenzielle umweltschädliche Faktoren bedenken, nach Möglichkeit identifizieren und zur Therapieoptimierung in das Behandlungskonzept einbinden“, rät Bangert.
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Die Österreichische Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie (ÖGDV) ist eine gemeinnützige medizinische Fachgesellschaft und hat ihren Sitz in Wien. Zweck der Gesellschaft ist die Förderung der wissenschaftlichen Entwicklung und der praktischen Umsetzung des Fachgebietes der Haut- und Geschlechtskrankheiten einschließlich seiner Spezialdisziplinen; das sind Allergologie, Angiologie/Phlebologie, Dermatohistopathologie, Immundermatologie, dermatologische Genetik, operative Dermatologie, dermatologische Onkologie, Proktologie, dermatologische Kosmetologie, Photobiologie und dermatologische Laser- und Strahlentherapie, dermatologische Labordiagnostik, dermatologische Mikrobiologie, die klassischen Geschlechtskrankheiten und die anderen sexuell übertragbaren Erkrankungen (STD), physikalische Dermatotherapie, psychosomatische Dermatologie, Umweltmedizin, das Gutachterwesen sowie die Gesundheitsvorsorge und Rehabilitation im gesamten Gebiet.
[1] Kölli F et al: Aero-allergen sensitization in the general population: longitudinal analyses of the lead study. J Asthma Allergy 2022; 15:461
[2] Sozener ZC et al: Epithelial barrier hypothesis: effect of the external exposome on the microbiome and epithelial barriers in allergic disease. Allergy 2022; 77:1418