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Neue Erfolge durch Off-Label-Use bei Behandlung von Hauterkrankungen

Fortschritte in der Therapie von Vitiligo, Alopecia areata und Pruritus durch Off-Label-Einsatz von Medikamenten

Der Begriff „Off-Label-Use“ wurde im Zuge der Corona-Pandemie populär, spielt aber auch in der dermatologischen Behandlung eine immer größere Rolle. So sind aktuelle Fortschritte in der Therapie von Vitiligo (Weißfleckenkrankheit), Alopecia areata (Kreisrunder Haarausfall) und Pruritus (Juckreiz) auch auf den Off-Label-Einsatz von Medikamenten zurückzuführen. Im Rahmen einer Pressekonferenz am 1. Dezember im Presseclub Concordia in Wien informierte die Österreichische Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie (ÖGDV) über die neuen Perspektiven in der Behandlung von Hauterkrankungen.

ÖGDV-Präsident Prof. Dr. Johann Bauer © APA, Ludwig Schedl
ÖGDV-Präsident Prof. Dr. Johann Bauer © APA, Ludwig Schedl

Die Dermatologie habe sich in den letzten Jahren ein beachtliches therapeutisches Arsenal für Krankheiten wie Psoriasis (Schuppenflechte), atopische Dermatitis (Ekzem) und schwarzen Hautkrebs erarbeitet, sagt ÖGDV-Präsident Prof. Dr. Johann Bauer einleitend. „Das bietet uns die Möglichkeit, mit bisher ungeahnter therapeutischer Effizienz in diesen, von den Arzneimittelbehörden zugelassenen Indikationen zu agieren. Gleichzeitig ist es nun möglich, dass diese neuen, zumeist immunmodulierenden Substanzen, auch bei anderen entzündlichen und malignen Erkrankungen außerhalb zugelassener Indikationsgebiete zum Einsatz kommen (Off-Label-Use)“, erklärt Bauer.

JAK-Inhibitoren bei Vitiligo: 90%ige Verbesserung bei 30% der PatientInnen nach 52 Wochen

Vitiligo – die Weißfleckenkrankheit – ist eine der häufigsten Pigmentstörungen. Aufgrund der auffälligen, weißen Hautflecken geht sie oft mit einer massiven Einschränkung der Lebensqualität der Betroffenen einher. „Die meist über viele Monate bis Jahre durchzuführende Standardtherapie, die unter anderem Steroide und Lichttherapie umfasst, kann auch Nebenwirkungen haben. Daher wurde bisher vielen PatientInnen nahegelegt, auf diese Therapie bei Vitiligo ganz zu verzichten“, erklärt Prof.in Dr.in Angelika Hofer, Leiterin der Vitiligoambulanz der Universitätsklinik für Dermatologie und Venerologie an der Medizinischen Universität Graz.

Prof. Dr. Angelika Hofer © APA, Ludwig Schedl
Prof. Dr. Angelika Hofer © APA, Ludwig Schedl

Nun wurde ein entscheidender Fortschritt erzielt. „Studien haben gezeigt, dass Vitiligo durch sogenannte Januskinase-Inhibitoren (JAK-Inhibitoren) gehemmt werden kann“, so Hofer. Derzeit werden verschiedene lokal applizierte JAK-Inhibitoren in klinischen Studien getestet. Am weitesten fortgeschritten sind die Studien mit Ruxolitinib zur lokalen Behandlung. Die kürzlich publizierten Ergebnisse aus zwei Phase-III-Studien, in welche PatientInnen mit nicht-segmentaler Vitiligo ab dem 12. Lebensjahr eingeschlossen waren, zeigten vielversprechende Ergebnisse. So konnten nach 24 Wochen Therapie bei 51,6% der PatientInnen eine zumindest 50% Repigmentierung im Gesicht erzielt werden. 30,1% erzielten in dieser Zeit eine Repigmentierung im Gesicht von zumindest 75% und 15,4% der PatientInnen erreichten fast eine vollständige Repigmentierung von zumindest 90%. Nach 52 Wochen erreichten 74,6% der PatientInnen eine zumindest 50%ige Repigmentierung und 30,3% eine über 90%ige Repigmentierung. Vitiligoläsionen an anderen Lokalisationen als dem Gesicht sprechen schlechter an. Immerhin erreichten nach 24 Wochen 21,9% der PatientInnen eine mittlere Repigmentierung aller Hautläsionen von zumindest 50% und nach 52 Wochen waren es 51,1% der PatientInnen.

„Die Einführung der JAK-Inhibitoren stellt zweifellos eine entscheidende Weiterentwicklung der Vitiligotherapie da. In Einzelfällen konnte gezeigt werden, dass weiße Flecken, die über Jahre auf die verschiedenen Therapien nicht angesprochen hatten, unter JAK-Inhibitoren repigmentiert werden konnten. Die Studiendaten lassen insgesamt vermuten, dass durch eine Kombination lokale applizierter JAK-Inhibitoren mit einer regelmäßigen Sonnenexposition oder Lichttherapie noch bessere Ergebnisse zu erwarten sind“, erläutert Hofer. „Die Sicherheit solcher Kombinationstherapien wird derzeit in Studien evaluiert. Entscheidend für Vitiligo-PatientInnen wird aber sein, dass Sie auf gut informierte DermatologInnen treffen, die Zeit haben, die langfristigen Therapien nach individueller Nutzen-Risiko-Abwägung zu betreuen.“

Neue Behandlung bei kreisrundem Haarausfall

Der kreisrunde Haarausfall ist eine der häufigsten Autoimmunerkrankungen und betrifft mehr als 2% der Bevölkerung. Obwohl medizinisch ungefährlich, hat der Verlust der Kopf- und Körperbehaarung extreme Auswirkungen auf die psychische Gesundheit der PatientInnen. Vor wenigen Wochen ist in den USA und Europa mit dem JAK-Inhibitor Baricitinib die erste systemische Therapie zur Behandlung der fortgeschrittenen Alopezia areata zugelassen worden. „Studien zeigen eine Ansprechrate von über 75% für diese bisher nur sehr schwer behandelbare Erkrankung“, sagt Prof. Priv.-Doz. Dr. Johannes Griss, Oberarzt an der Universitätsklinik für Dermatologie der Medizinischen Universität Wien. „Es ist sehr spannend, dass wir nun nach vielen Jahren Off-Label-Use erstmals eine zugelassene Therapie für diese häufige Erkrankung haben. Wir haben bereits an eigenen PatientInnen gesehen, dass die Ansprechraten teils hoch sind und der Therapieerfolg PatientInnen mehrmals wieder ein normales Leben erlaubt hat. Wir müssen uns jedoch auch im Klaren sein, dass wir die Langzeitfolgen dieser Therapie noch nicht kennen, sodass eine gewisse Vorsicht angebracht ist“, erklärt Griss.

Prof. Dr. Johannes Griss © APA, Ludwig Schedl
Prof. Dr. Johannes Griss © APA, Ludwig Schedl

Behandlung von chronischem Pruritus durch Off-Label-Use

Auch chronischer Pruritus (Juckreiz) im Allgemeinen und die chronische Prurigo (Juckblattersucht) im Speziellen gelten als sehr schwer behandelbare Symptome. Bisher gibt es keine zugelassenen Therapien für die Betroffenen. Aus diesem Grund sind derzeitige Behandlungen nahezu immer Off-Label-Einsätze von Medikamenten, die für andere Indikationen zugelassen sind und in Fallberichten, kleinen Fallserien oder kleineren Studien eine Reduktion von chronischem Pruritus gezeigt haben. „In Ermangelung zugelassener wirksamer Therapien sind Off-Label-Einsätze von Medikamenten aber erforderlich, um überhaupt eine Linderung für die geplagten PatientInnen erreichen zu können“, erklärt Prof. Dr. Franz Legat von der Universitätsklinik für Dermatologie und Venerologie an der Medizinischen Universität Graz.

Prof. Dr. Franz Legat © APA, Ludwig Schedl
Prof. Dr. Franz Legat © APA, Ludwig Schedl

„Nachdem diese Medikamente in anderen Bereichen schon im Einsatz sind, kennt man deren Nebenwirkungsprofil und sie können daher mit einer größeren Sicherheit verwendet werden. Auch wenn die Wirkungen solcher Off-Label-Therapien manchmal zufällig entdeckt wurden, haben sie zum Verständnis der Pathophysiologie des chronischen Pruritus beigetragen“, sagt Legat. „Oft führen Off-Label-Einsätze von Medikamenten bei guter Wirkung zum Anstoßen weiterer klinischer Untersuchungen und zur Durchführung von klinischen Studienprogrammen, die in weiterer Folge in Zulassungen dieser oder ähnlicher Medikamente für neue Indikationen münden.“

Weitere Fotos der Pressekonferenz gibt es unter folgendem Link: https://www.apa-fotoservice.at/galerie/31386

Die Österreichische Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie (ÖGDV) ist eine gemeinnützige medizinische Fachgesellschaft und hat ihren Sitz in Wien. Zweck der Gesellschaft ist die Förderung der wissenschaftlichen Entwicklung und der praktischen Umsetzung des Fachgebietes der Haut- und Geschlechtskrankheiten einschließlich seiner Spezialdisziplinen; das sind Allergologie, Angiologie/Phlebologie, Dermatohistopathologie, Immundermatologie, dermatologische Genetik, operative Dermatologie, dermatologische Onkologie, Proktologie, dermatologische Kosmetologie, Photobiologie und dermatologische Laser- und Strahlentherapie, dermatologische Labordiagnostik, dermatologische Mikrobiologie, die klassischen Geschlechtskrankheiten und die anderen sexuell übertragbaren Erkrankungen (STD), physikalische Dermatotherapie, psychosomatische Dermatologie, Umweltmedizin, das Gutachterwesen sowie die Gesundheitsvorsorge und Rehabilitation im gesamten Gebiet.