Vorsorgliche Chemotherapie bei Brustkrebs oftmals unnötig
Genexpressionstests ermöglichen präzise Einschätzung des Rückfallrisikos – ÖGS fordert Kostenübernahme durch Krankenkassen
Genexpressionstests sind seit Jahren international anerkannt und ermöglichen eine präzise Bestimmung des Rückfallrisikos nach Brustkrebsoperationen. In Österreich könnten damit jährlich bis zu 1.000 unnötige Chemotherapien verhindert und somit nicht nur Leiden von Patientinnen sondern auch Kosten für das Gesundheitssystem gespart werden. Die Österreichische Gesellschaft für Senologie – Interdisziplinäres Forum für Brustgesundheit (ÖGS) fordert daher die Krankenkassen auf, die Testkosten zu übernehmen.
Rückfallrisiko entscheidet über vorsorgliche Chemotherapie
Sehr viele Frauen werden nach einer Brustkrebsoperation vorsorglich mit einer Chemotherapie behandelt, um das Rückfallrisiko zu minimieren. Zur Bestimmung dieses Risikos werden üblicherweise immunhistochemische und pathohistologische Parameter herangezogen, wie die Tumorgröße, die Differenzierung des Tumors und eventuell vorliegende Metastasen der Achsellymphknoten. Damit kann etwa die Hälfte der Patientinnen eindeutig der Hoch- oder Niedrigrisikogruppe zugeordnet werden, bei der anderen Hälfte mit intermediärem Risiko ist jedoch keine genaue Risikoabschätzung möglich.
„Man weiß, dass nicht alle Frauen mit intermediärem Risiko unbedingt eine Chemotherapie benötigen. Aber die Entscheidung fällt im Einzelfall oftmals schwer, und daher wird sicherheitshalber häufig – das heißt zu häufig – zugunsten einer Chemotherapie entschieden“, sagt Prim. Univ.-Prof. Dr. Angelika Reiner, Pathologin und Präsidentin der ÖGS.
„Genetischer Fingerabdruck“ des Tumors ermöglicht präzisere Risikoeinschätzung – bis zu 1.000 unnötige Chemotherapien jährlich in Österreich vermeidbar
Zusätzlich zur immunhistochemischen und pathohistologischen Testung sind bereits seit einigen Jahren Genexpressionstests medizinisch anerkannt und werden von internationalen Fachgesellschaften empfohlen. Diese genetischen Untersuchungen im Tumorgewebe ermöglichen präzise Einschätzungen des Rückfallrisikos und werden in vielen Ländern wie den USA, Großbritannien und Deutschland von den Krankenkassen bezahlt.
„In einem standardisierten Verfahren können hier Patientinnen identifiziert werden, die eine sehr gute Prognose haben und somit auf eine Chemotherapie verzichten können. Diese momentan noch sehr teuren Tests machen vor allem bei jenen Patientinnen Sinn, deren Risiko wir nach herkömmlichen Testungen als intermediär einstufen“, sagt Ass.-Prof. Dr. Ruth Exner von der Universitätsklinik für Chirurgie Wien, Mitglied eines internationalen Forschungsteams zu Genexpressionstests.
Univ.-Prof. Dr. Christian Singer, ÖGS Vorstandsmitglied und Leiter der Senologie an der Universitätsfrauenklinik Wien, schätzt die Zahl der Frauen, denen durch eine präzisere Risikoeinschätzung mittels Genexpressionstests künftig eine Chemotherapie erspart werden könnte, auf jährlich bis zu 1.000.
ÖGS fordert Übernahme der Testkosten durch Krankenkassen – Vermeidung unnötiger Chemotherapien spart Patientinnenleid und Kosten für das Gesundheitssystem
Da unnötig durchgeführte Chemotherapien sowohl massives Leid bei den betroffenen Patientinnen als auch sehr hohe Kosten für das Gesundheitssystem verursachen, fordert die ÖGS die Krankenkassen dazu auf, die Kosten für Genexpressionstest bei Patientinnen mit intermediärem Risiko zu übernehmen.
„Wenn man bedenkt, dass ein einziger von bis zu acht pro Patientin notwendigen Chemotherapiezyklen bereits mehr kostet als die gesamte Durchführung eines Genexpressionstests, so erscheint es schon alleine aus finanziellen Überlegungen widersinnig, dass die Krankenkassen bis heute kein Geld für diese Untersuchung aufbringen. Man bringt sich damit um die Möglichkeit, auf eine teure, belastende und völlig unnötige Therapie ganz einfach zu verzichten“, so Singer.