';

News

Statistik-Austria-Generaldirektor Thomas: nationale Datenstrategie notwendig

AmCham Talk mit Tobias Thomas über Österreichs Performance während der Corona-Krise

Im Rahmen des AmCham Talks der Amerikanischen Handelskammer in Österreich, der am Freitag den 28. Jänner virtuell ausgetragen wurde, sprach der Generaldirektor der Statistik Austria Prof. Dr. Tobias Thomas über die Performance Österreichs während der Corona-Krise in den Bereichen Gesundheit, Wirtschaft und Daten. „Das BIP ist so stark gesunken wie noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg. Die Wirtschaft hat sich seither in vielen Bereichen erholt, doch einige Sektoren spüren die Krise noch beträchtlich“, fasst Thomas zusammen. Was die Datenlage betrifft, sieht er in Österreich Verbesserungsbedarf. „Die Entwicklung einer nationalen Datenstrategie wäre höchst an der Zeit“, unterstreicht Thomas. Das Video ist hier abrufbar: https://youtu.be/SNCGqzZsxuU

Inzidenz bei geimpfter Bevölkerung signifikant geringer

Die Zahlen zeigen: Die Omikron-Welle ist mit einer 7-Tage-Inzidenz von aktuell über 2.000[1] die größte, die es in Österreich bisher gab. Thomas sagt: „Besonders an dieser Welle ist jedoch, dass sich die Spitalsauslastung trotz hoher Infektionszahlen nicht in einem kritischen Bereich befindet. Vor allem die Belegung der Intensivstationen ist zurzeit stabil.“

Prof. Dr. Tobias Thomas, Generaldirektor der Statistik Austria, Speaker bei den AmCham Talks
Prof. Dr. Tobias Thomas © Statistik Austria, Ranger–Marton

Interessant ist der Blick auf die 7-Tage-Inzidenz der 18- bis 59-jährigen Bevölkerung, aufgeschlüsselt nach Immunschutz: Er zeigt, dass die Inzidenz bei Menschen ohne Impfung oder Genesung zuletzt bei mehr als 5.000 lag. Bei vollständig Geimpften lag sie in dieser Altersgruppe bei 1.000[2]. EU-weit liegt die Durchimpfungsrate in Österreich im Mittelfeld: 75,7 Prozent haben hierzulande zumindest eine Teilimpfung erhalten[3].

Impfquote abhängig von Erwerbsstatus und Ausbildung

Interessant ist auch der Zusammenhang zwischen Erwerbsstatus und Bildungsstand und der Impfquote: In der 25- bis 64-jährigen Bevölkerung ist die Impfquote bei Erwerbstätigen höher als bei nicht Erwerbstätigen. Bei Ersteren ist die Impfquote besser, je höher die höchste abgeschlossene Ausbildung ist. Am größten sind die Unterschiede bei der jungen Bevölkerung von 25 bis 29 Jahren. In dieser Gruppe sind 75 Prozent aller Erwerbstätigen geimpft, im Vergleich zu 63 Prozent bei den nicht Erwerbstätigen. Bei den erwerbstätigen Hochschulabsolventen zwischen 25 und 29 Jahren liegt die Impfquote bei 88 Prozent, im Vergleich zu 66 Prozent bei den Erwerbstätigen mit maximal einem Pflichtschulabschluss[4].

Österreichs Wirtschaftszahlen erholt, aber nicht alle Sektoren profitieren

Im zweiten Quartal 2020 sank das BIP in Österreich um 13,5 Prozent[5]. Das ist der größte BIP-Einbruch hierzulande seit dem Zweiten Weltkrieg. Bemerkenswert für Thomas ist die rasche Erholung der Wirtschaft. „Bereits im dritten Quartal 2021 lag das BIP in Österreich wieder über dem Vorkrisenniveau.“ Der Generaldirektor der Statistik Austria weist jedoch darauf hin, dass die Erholung sich nicht in allen Sektoren widerspiegelt. Während die Bereiche Finanzen, Energie und Produktion florieren, leiden andere Sektoren noch immer an den Auswirkungen der Krise.

Stark betroffen sind nach wie vor Gastronomie und Tourismus. „Seit 2019 hat sich der Tourismus in Österreich gemessen an den Nächtigungen nahezu halbiert“, sagt Thomas. 152,7 Millionen Übernachtungen 2019 stehen 79,6 Millionen Übernachtungen 2021 gegenüber. Noch stärker ist der Einbruch bei Touristen aus den USA: Vier von fünf Touristen aus USA blieben 2021 aus[6].

Erholt hat sich hingegen der Arbeitsmarkt. „Die Beschäftigung liegt über dem Vorkrisenniveau. Stellenangebote deuten sogar auf einen wachsenden Fachkräftemangel hin“, sagt Thomas.

Österreich vor großen Herausforderungen

Thomas sprach mehrere Herausforderungen an, denen sich Österreich künftig widmen müsse. Die Schuldenquote hat sich wegen und während der Corona-Krise stark erhöht. Zuvor war die Schuldenquote seit 2016 jedes Jahr rückläufig. Auch sei der Trend zu niedrigen Inflationsraten gestoppt. „Vor allem Energie- und Kraftstoffpreise treiben die Inflationsrate an“, sagt Thomas.

Zudem habe die Corona-Krise gezeigt, wie wichtig Daten seien, um gute Entscheidungen zu treffen. Für die Datenlage in Österreich sieht Thomas „Luft nach oben“. Zum einen habe die Corona-Krise Wissenschaftler und ihre Arbeit in den Fokus gerückt und den Wunsch nach evidenzbasierter Politikgestaltung stärker werden lassen, andererseits gebe es einen Mangel an zugänglichen und verknüpfbaren Daten sowie inkonsistente Statistiken von verschiedenen Stellen. Als Beispiel führt Thomas die Zahl der Corona-Genesenen vom 20. April 2021 an. Die AGES zählte 541.283, das Gesundheitsministerium 560.492 Genesene. „Mit einer besseren Datenlage lassen sich nicht nur Krisen besser managen, sondern auch die Resilienzen erhöhen.“ Die digitale Revolution bietet neue Möglichkeiten, allerdings bedeuten mehr Daten nicht zwangsläufig mehr Informationen. Um den Datenschatz künftig besser nutzen zu können, empfiehlt Thomas die Entwicklung einer nationalen Datenstrategie. Als Beispiele nennt er die europäische Datenstrategie der EU und die nationalen Datenstrategien in Großbritannien und der Schweiz.

Yosemite Clean Energy und FCM First Class Media neue AmCham-Mitglieder

Im Rahmen des AmCham Talks stellte Generalsekretärin Susanne Reisinger-Anders Yosemite Clean Energy und FCM First Class Media als neue Mitglieder der AmCham Austria vor. Yosemite Clean Energy ist ein führender Hersteller von Biokraftstoffen und erneuerbarer Energie. FCM First Class Media ist Inhaber und Herausgeber von „Cercle Diplomatique – economique et touristique“, dem führenden österreichischen Magazin für Diplomatie und internationale Beziehungen.

Unter den Gästen und DiskutantInnen des AmCham Talks waren unter anderem (in alphabetischer Reihenfolge):

Martin Brodey (Partner, Dorda Rechtsanwälte)
Martin Butollo (Country CEO Austria, Commerzbank AG)
Alexander Bursky (Managing Director, FCM First Class Media)
Stefan Hungenberg (General Manager CH & AUT, Starbucks)
Michael Kreppel-Friedbichler (Managing Director, Biogen Austria)
Christian Maetz (Business Development, AT&T Global Network Services Austria)
Johannes Martschin (CEO, Martschin & Partner)
Erich Nepita (CEO, Lee Hecht Harrison / OTM)
Marco Porak (Country General Manager, IBM Österreich)
Friedrich Rödler (Aufsichtsratsvorsitzender, Erste Bank)
Robin Rumler (CEO, Pfizer Corporation Austria)
Saskia Wallner (CEO, Ketchum Publico)
Michael Zahradnik (Senior Global Project Manager, Yosemite Clean Energy)
Michael Zettel (Country Managing Director, Accenture Austria)

Die American Chamber of Commerce in Austria (AmCham Austria) wurde 1960 gegründet und ist offizieller Vertreter der österreichisch-amerikanischen Geschäftswelt. Als gemeinnützige Organisation ist AmCham Austria unabhängig und unpolitisch. AmCham Austria ist Teil des globalen AmCham-Netzwerks, das in mehr als 100 Ländern vertreten ist und seinen Hauptsitz in Washington D.C. hat. AmCham Austria fördert den Ausbau und die Stärkung der Handelsbeziehungen zwischen Österreich und den USA und spielt dabei eine doppelte Rolle. Erstens übernimmt AmCham Austria die Rolle eines aktiven Lobbyisten für US-Unternehmen, die Niederlassungen in Österreich gegründet haben und für österreichische Unternehmen, die Handelsbeziehungen und Interessen in den USA haben. Zweitens fördert AmCham neue Geschäftsbeziehungen amerikanischer Unternehmen in Österreich und umgekehrt. Weitere Informationen unter: http://www.amcham.at/

[1] Quelle: AGES/EMS, Stand 27.01.2022 (bezieht sich auf den Zeitraum bis inkl. 25.01.2022)

[2] Quelle: AGES Covid-19-Datenbank/EMS/E-Impfpass. Stand 26.01.2022 (bezogen auf Zeitraum bis inkl. 18.01.2022)

[3] Quelle: EU/EWR: ECDC Vaccinetracker, USA: CDC COVID Data Tracker, Stand 27.01.2022

[4] Quelle: Statistik Austria. Nationales Impfregister Österreich 30.11.2021, Epidemiologisches Meldesystem (EMS) 31.12.2021, Registerbasierte Erwerbsverläufe (vorl. Ergebnisse) 01.07.2021, Statistik des Bevölkerungsstandes (vorl. Ergebnisse) 01.07.2021. Ohne Personen, die nach 2020 nach Österreich zugezogen sind; ohne Personen, für die keine Informationen zum Erwerbsstatus, Pensionsbezug, Schulbesuch oder Studium in Österreich verfügbar sind. Aktuell noch nicht verfügbare Informationen über die höchste abgeschlossene Ausbildung zum Stichtag wurden auf Basis des Bildungsstandregisters zugeschätzt.

[5] Quelle: Statistik Austria, Vierteljährliche Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen.

[6] Quelle: Statistik Austria, Tourism Statistics. December 2021: Preliminary results.