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Forum Anthropozän 2020: Entschlossenes Handeln notwendig

Die dritte Austragung des wissenschaftlichen Forums erfolgte am 18. Juni erstmals als ONLINE ZEIT-GESPRÄCH zum Thema: „KLIMA. DIE KRISE. Warum Wissenschaft und Macht im Dialog bleiben müssen“

Das Forum Anthropozän stellte am 18. Juni in einer hochkarätig besetzten Online-Diskussion – angesichts der unverändert bestehenden Klimakrise und der neuen COVID-19-Krise – Fragen zu Macht, Dialog und zur künftigen Rolle der Wissenschaft in seinen Mittelpunkt. Es referierten und diskutierten unter anderem der Landeshauptmann von Kärnten, Dr. Peter Kaiser, Meeresbiologin Prof.in Dr.in Antje Boetius, Botschafter der Republik Kasachstan und Ständiger Vertreter bei der UNO (Wien) und OSZE, S. E. Kairat Sarybay, und der Leiter der ORF-Wetterredaktion und Bestsellerautor zum Thema Klimawandel Mag. Marcus Wadsak.

Aufnahmestudio © Christian Senger

Die Veranstaltung wurde organisiert und durchgeführt von der Initiative ProMÖLLTAL | ARGE Alpine Nature Campus, der Gemeinde Großkirchheim Infrastruktur KG, dem Nationalpark Hohe Tauern Kärnten, der Paris-Lodron-Universität Salzburg, dem Anthropocene Network Vienna/Universität Wien und dem Universitäts.club | Wissenschaftsverein Kärnten.

Die gesamte Diskussion ist online verfügbar unter https://youtu.be/KnNtL6FaEGI.

1. Europäisches Klima- und Umweltbildungszentrum und Unterstützung für das Klimavolksbegehren

Mag.a Dr.in Sabine Seidler, Initiatorin des internationalen Forums, forderte entschlossene Handlungen gegen die drohende Klimakrise ein. Im Namen des Forum Anthropozäns sprach sie ihre Unterstützung für das aktuelle Klimavolksbegehren aus und appellierte an die rund 300 Online-Teilnehmer*innen mit ihrer Unterschrift in der Eintragungswoche von 22. bis 29. Juni das Volksbegehren zu unterstützen. Auch Landeshauptmann Kaiser schloss sich dieser Unterstützung an.

Landesrätin Mag.a Sara Schaar drückte ihre Freude darüber aus, dass das Forum Anthropozän auch dieses Jahr, wenn auch in anderer Form als gewohnt, stattfand. „Klimaschutz und Klimawandelanpassung dürfen gerade jetzt nicht vernachlässigt werden! Die Nationalparkregion Hohe Tauern wird durch diese Plattform erneut sichtbar gemacht. Sabine Seidler, die das Forum Anthropozän bereits zum dritten Mal organisiert, ist auch Partnerin des 1. Europäischen Klima- und Umweltbildungszentrums, das inmitten des Nationalparks als Kompetenzzentrum für Klima- und Umweltfragen kürzlich gegründet wurde. Ich bin überzeugt davon, dass unsere Zusammenarbeit gewinnbringend sein wird“, so Schaar.

Sara Schaar, Horst Peter Groß, Sabine Seidler © Christian Senger

Mitorganisator Mag. Dr. Horst Peter Groß sagte: „Wenn wir die Hypothese vom Anthropozän ernst nehmen, dann müssen wir uns im „Zeitalter des Menschen“ auch intensiv damit beschäftigen, was die Menschen in ihrem Verhalten antreibt oder behindert, wie die „Gattung Mensch“ tickt. Wir müssen uns über die notwendigen naturwissenschaftlichen Analysen und Korrekturversuche hinaus mit den „anthropologischen Grundwidersprüchen“, die die Menschen begleiten – ob sie wollen oder nicht – auseinandersetzen und uns kollektiv die Frage stellen, in welcher Welt wir leben wollen. Philosophisch gewendet ist dies die Frage nach dem Guten Leben – allerdings nicht allein individuell, sondern in unserer Weltgesellschaft.“

Prominente Gesprächsrunde

Im von Fritz Habekuß moderierten ZEIT-Gespräch diskutierten

  • Kärnten-Landeshauptmann Peter Kaiser,
  • Meeresbiologin in Dr.in Antje Boetius,
  • der Geograph, Ökologe und Unternehmer J. Daniel Dahm,
  • Präsident der Ethos-Stiftung in der Schweiz Rudolph Rechsteiner,
  • Botschafter der Republik Kasachstan und Ständiger Vertreter bei der UNO (Wien) und OSZE E. Kairat Sarybay,
  • und der Leiter der ORF-Wetterredaktion und Bestsellerautor zum Thema Klimawandel Marcus Wadsak.

Prof.in Dr.in Antje Boetius stellte die Frage, ob der Corona bedingte Stillstand dem Klima geholfen hätte. Zwar deuteten Ad-hoc-Beobachtungen, wie Delfine im Hafen von Sardinien und das klare Wasser in Venedig, darauf hin, doch steigt derzeit der CO2-Gehalt in der Atmosphäre weiter ungebrochen an – bloß etwas langsamer. „Der CO2-Gehalt der Atmosphäre wird von vielen physikalischen und biologischen Faktoren bestimmt und das über lange Zeiträume“, so Boetius.

Pressefoto Forum Anthropozän Antje Boetius © Christian Senger
Antje Boetius © Christian Senger

Dr. J. Daniel Dahm kritisierte das historisch gewachsene Machtgefälle: „Für die Mehrheit der Menschheit wird die Erreichbarkeit und die Qualität von Gemeinschaftsgütern immer weiter eingeschränkt“, stellte Dahm fest, „ebenso wie ihre individuelle Versorgungssicherheit und gestaltbare Freiheitsräume. Dem gegenüber steht eine schier grenzenlose, private Akkumulation von Finanzkapital und Wirtschaftsmacht, an der bestenfalls ein bis zwei Prozent der Menschheit partizipieren. Der Kapitalismus hat immer mehr Menschen aus der Marktwirtschaft gedrängt und zudem ihre Produktionsgrundlagen verbraucht und zerstört“, so Dahm.

Mag. Marcus Wadsak stellte klar: „Die letzten sechs Jahre waren global die wärmsten sechs Jahre seit Messbeginn. Nicht das Klima spielt verrückt, sondern wir Menschen haben es verrückt. Wer in Österreich lebt und älter als 25 Jahre alt ist, hat die zehn wärmsten Jahre in einer 250jährigen Messreihe miterlebt. Wir sind die erste Generation, die die Folgen des Kimawandels spürt, und die letzte, die etwas dagegen tun kann.“

Pressefoto Forum Anthropozän Marcus Wadsak © Christian Senger
Marcus Wadsak © Christian Senger

Wadsak fügt hinzu: „Es gibt derzeit keinen wissenschaftlichen Grund warum wir die Pariser Klimaziele nicht erreichen könnten. Es liegt nur an uns und unserem Handeln! Es gibt allen Grund die Klimakrise zu fürchten – sie kann zur Klimakatastrophe werden. Es gibt keinen Grund sich vor Klimaschutz zu fürchten – er kann beitragen, soziale Ungerechtigkeiten zu beseitigen und zu mehr Lebensqualität führen.“

Dr. Rudolf Rechsteiner widmete sich der künftigen Rolle der Wissenschaften: „Die Wissenschaften ermöglichten den unglaublichen Aufschwung der Menschheit. Wollen wir unsere Zukunft sichern, müssen wir auch ihre Warnungen ernst nehmen. Wenn wir weiter nicht angemessen handeln, gefährden wir unseren Wohlstand und unsere Existenz“, warnte Rechsteiner.

E. Kairat Sarybay gab Einblicke in eine aktuelle ökologische Katastrophe, von der Kasachstan stark betroffen ist: die Austrocknung des Aralsees. Vom – in den 1960er Jahren – rund 68.000 Quadratkilometer großen See sind heute nur mehr rund 8.000 Quadratkilometer vorhanden. Seit einigen Jahren setze Kasachstan – auch in Kooperation mit Österreich – wichtige Schritte gegen den Klimawandel. „Nur das Erkennen und Verstehen globaler Zusammenhänge und eine grenzübergreifende, nachhaltige Konnektivität von Staaten wird uns langfristig einen blauen Himmel, frisches Wasser und eine saubere Umwelt sicherstellen“, unterstrich Sarybay.

Auch Kaiser hob die Bedeutung der internationalen Zusammenarbeit hervor und hofft auf ein Zusammenrücken Europas: „Wir beobachten in der Weltwirtschaft eine neue asiatisch-chinesische Dominanz neben der bisherigen US-Dominanz. Umso wichtiger ist es, jetzt die europäische Allianz zu stärken und geeint zu handeln.“ Kaiser erklärte: „COVID-19, das in den letzten Monaten den politischen und auch den gesellschaftlichen Diskurs bestimmt hat, hat schlagartig ein anderes Thema verdrängt: den Klimawandel“, stellte Landeshauptmann Peter Kaiser eingangs fest und nannte zehn Thesen für eine lebenswertere Zukunft. „Es liegt an uns allen, vor allem aber an der Politik, dass die bereits eingeleitete Klimakatastrophe unverzüglich politische und persönliche Handlungsweisen zu dominieren beginnt. Denn: Anders als gegen COVID-19 wird es gegen die dramatischen gesundheitlichen und ökonomischen Auswirkungen des Klimawandels keine Impfung geben. Das einzige Heilmittel sind wirksame von der Politik vorzugebende und von insbesondere der Wirtschaft und Industrie aber auch jeder und jedem Einzelnen tagtäglich einzuhaltende Maßnahmen“, betonte Kaiser und fügte hinzu: „Ich möchte, dass unsere Kinder und deren Kinder auch noch in 100 Jahren überall in Kärnten saubere Luft atmen, aus unseren Seen trinken, den Wasserhahn aufdrehen und kristallklares Kärntner Wasser trinken können.“

Pressefoto Forum Anthropozän
Peter Kaiser © Christian Senger

Ausblick 2021: 4. Forum Anthropozän von 17. bis 19. Juni in Heiligenblut am Großglockner, Nationalpark Hohe Tauern

Im Jahr 2021 findet das 4. Forum Anthropozän von 17. bis 19. Juni – wie bereits in den Jahren zuvor – unter anderem mit Vorträgen, Diskussionen, Lesungen, Zukunftswerkstätten und Filmvorführungen mit zahlreichen WissenschaftlerInnen, ExpertInnen und KünstlerInnen im Nationalpark Hohe Tauern statt, dem größten Schutzgebiet der Alpen und eine der schönsten Landschaften der Erde. Die Nationalparkgemeinde Heiligenblut als Austragungsort des Forums 2021 ist als das legendäre „Bergdorf Heiligenblut am Großglockner“ bekannt. Das Bild der stolzen, spätgotischen Kirche, eng zusammengerückt mit den Herbergen und Berghöfen inmitten der beeindruckenden Gebirgslandschaft, deren Silhouette von der majestätischen, gletscherbedeckten Pyramide des Großglockners bedeckt wird, zählt zu den berühmtesten Postkartenmotiven der Alpen.

Weitere Informationen unter www.forum-anthropozaen.com

Das Forum Anthropozän geht seit 2018 interdisziplinär der Frage nach, wie sich Menschen wieder verstärkt als Einheit mit der Natur verstehen und erleben können und wie Innovationen eine nachhaltige Entwicklung fördern kann und wie der globale Wandel auch als Chance für eine bewusste Gestaltung der künftigen Erde betrachtet werden kann. Weitere Informationen gibt es unter www.forum-anthropozaen.com
Die Diagnose des Anthropozäns geht von der Beobachtung aus, dass die Oberfläche der Erde, und damit auch die Lebensbedingungen für Flora und Fauna, durch die Handlungen von Menschen global rasant und in sehr großem Stil verändert werden. Inspiriert zu einem neuen Blick auf die Erde als Lebensraum, stellt das Anthropozän die Menschheit vor ganz neue Verantwortlichkeiten.
Der Begriff Anthropozän (Anthropos = Mensch, Zän = Erdzeitalter) bezeichnet den Eintritt in eine neue, vom Menschen geprägte Epoche der Erdgeschichte. Er wurde 2002 von dem Atmosphärenchemiker und Nobelpreisträger Paul J. Crutzen in den wissenschaftlichen Diskurs eingeführt.