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Infektionskrankheiten im Klimawandel: Wanderung von Krankheitsüberträgern nach Norden

Dermatologen rechnen bei steigenden Temperaturen mit Anstieg von tropischen Infektionskrankheiten wie Zika-, West-Nil-, Dengue- und Chikungunya-Fieber in Österreich und bereiten sich darauf vor. Die Österreichische Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie (ÖGDV) und die Arbeitsgemeinschaft Pädiatrische Dermatologie informierten dazu am 10. Kinder-Haut-Tag im Wiener Billrothhaus. Die Experten fordern – auch andere dermatologische Erkrankungen betreffend – von der Politik eine verstärkte Aufklärung, die Bereitstellung ausreichender Medikamente für Infektionskrankheiten und die Förderung von PatientInnen-Empowerment-Programmen.

Tödlichstes Tier der Welt: die Mücke

Laut Zahlen der WHO sterben jährlich weltweit rund 725.000 Menschen durch Mücken. „Damit ist die Mücke statistisch gesehen das mit Abstand tödlichste Tier der Welt. Gefährliche, durch Mücken übertragene Infektionskrankheiten, wie West-Nil-, Dengue- und Chikungunya-Fieber, waren bislang vor allem in den Tropen und Subtropen ein Problem. Der Klimawandel schafft jetzt auch in Österreich günstige Bedingungen für deren Verbreitung“, informierte Prim. Univ.-Doz. Dr. Robert Müllegger, Leiter der Abteilung für Dermatologie und Venerologie im Landesklinikum Wiener Neustadt, am 10. Kinder-Haut-Tag am 18. Oktober 2019 in Wien.

Pressebild ÖGDV Prim. Univ.-Prof. Dr. Robert Müllegger - Website © Felicitas Matern
Prim. Univ.-Prof. Dr. Robert Müllegger – Website © Felicitas Matern

Kinder besonders gefährdet

„Exotische Infektionen bei Kindern sind bei uns – bis jetzt – noch selten, dafür haben sie meist einen besonders schweren Verlauf“, warnt Univ.-Prof. Dr. Beatrix Volc-Platzer, Tagungsleiterin und Leiterin der AG Pädiatrische Dermatologie der ÖGDV. „Neben Kindern sind auch alte oder immungeschwächte Menschen durch schwere Verläufe oder das Auftreten von Komplikationen besonders betroffen“, so Volc-Platzer. Galten bestimmte Virusinfektionen, die durch Stechmücken übertragen werden, vor einigen Jahren noch als „Urlaubssouvenirs“, sei heute, bedingt durch die zunehmende Reisefreudigkeit und die Klimaveränderungen, eine Wanderung der Überträger aus den Tropen über Süd- und Osteuropa nach Mittel- und Nordeuropa“ beobachtbar, sagt Müllegger.

Zunehmend günstigeres Klima für Krankheitserreger und deren Verbreitung in Österreich

Die Temperaturgrenze bei der Übertragung vieler sogenannter „Vektor“-Krankheiten (Krankheiten, die durch Krankheitserreger übertragen werden) liegt im unteren Bereich bei 14 bis 18 °C und bei 35 bis 40 °C im oberen Bereich. Am günstigsten sind Temperaturen zwischen 30 und 32 °C. Durch den Klimawandel finden Krankheitserreger in Österreich und Europa zunehmend auch in den kälteren Jahreszeiten günstige Bedingungen vor. Die jährliche Aktivitätsperiode von Vektoren (der Krankheitsüberträger) verlängert sich. Da in Österreich auch die für Vektoren idealen Temperaturen zwischen 30 und 32 °C immer häufiger gemessen werden, gibt es eine schnellere Vermehrung von Krankheitserregern in Vektoren.

„Zunehmende Niederschläge erhöhen zudem die Zahl und Qualität der Brutplätze. Generell bieten die veränderten klimatischen Verhältnisse in Österreich bzw. in Mitteleuropa ein größeres Etablierungs-, Vermehrungs- und Verbreitungspotenzial von Krankheitserregern und dadurch die Gefahr einer raschen Zunahme neuer autochthoner Lebensräume“, erklärt Müllegger.

Heimische Zecken und Mücken können Überträger tropischer Krankheiten werden

Im Jahr 2018 gab es in Österreich 27 Erkrankungen am West-Nil-Fieber, 85 Personen litten am Denguefieber, und es wurden 59 Fälle von Malaria registriert. All diese Erkrankungen kamen durch Krankheitsüberträger aus dem Ausland zustande und waren somit importiert. Bislang gab es in Österreich noch keine autochthonen Infektionen durch Chikungunya-, Dengue- und Zika-Viren. Aufgrund des Klimawandels könnte sich das in den nächsten Jahren ändern.

Potenzielle Krankheitsüberträger, wie die Sandmücke, die vor allem in den Tropen und Subtropen beheimatet ist, könnte ihr Verbreitungsgebiet bis nach Österreich ausdehnen. Doch die höheren Temperaturen in allen Jahreszeiten führt auch dazu, dass sich in Steckmücken und Zecken, die bereits hier sind, Erreger schneller vermehren. Die heimische Hausmücke könnte demnach die Vektorkompetenz – die Fähigkeit einen Krankheitserreger zu vermehren und zu übertagen – der Tiger- und Gelbfiebermücken erlangen.

10. Kinder-Haut-Tag in Wien

„Der interdisziplinäre Kinder-Haut-Tag ist eine „österreichische Spezialität“, wie sie in der Form nur bei uns jährlich angeboten wird“, sagt Univ.-Prof. Dr. Beatrix Volc-Platzer, Tagungsleiterin und Leiterin der AG Pädiatrische Dermatologie der ÖGDV. „Von anfangs 80 TeilnehmerInnen haben wir uns auf über 200 steigern können, was das große Interesse an diesem Überschneidungsbereich zwischen zwei Fächern – Dermatologie und Pädiatrie – beweist. Daher ist der 10. Kinder-Haut-Tag ein erster Meilenstein, den wir mit dieser Art der Fortbildung erreicht haben, und für den wir sehr renommierte Vortragende zu State-of-the-Art Vorträgen gewinnen konnten. Neben Infektionskrankheiten im Klimawandel waren weitere gewichtige Themen der Veranstaltung Skabies, Neurodermitis und genetische Analysen. Das Programm wird durch klinische Fallpräsentationen abgerundet, „die immer von besonderem Interesse für alle TeilnehmerInnen sind“, so Volc-Platzer.

Univ.-Prof. Dr. Beatrix Volc-Platzer © Univ.-Prof. Dr. Beatrix Volc-Platzer

Als Folge dieser Initiative der vorbildlichen Zusammenarbeit zwischen DermatologInnen und PädiaterInnen wurde Wien als Veranstaltungsort des 20. Europäischen Kinderdermatologen-Kongresses ausgewählt, der vom 11. bis 13. Juni 2020 in der Hofburg stattfindet und zu dem rund 1.000 TeilnehmerInnen erwartet werden.

Forderungen der ÖGDV und der Arbeitsgemeinschaft Pädiatrische Dermatologie an die Politik

Anlässlich des zehnjährigen Jubiläums formulierten ÖGDV-Präsident Klemens Rappersberger und die Leiterin der Arbeitsgemeinschaft Pädiatrische Dermatologie Beatrix Volc-Platzer klare Wünsche an die Gesundheitspolitik: „Gerade in der pädiatrischen Dermatologie gilt es dringend, für eine bessere Aufklärung von Betreuungspersonen zu sorgen, ausreichend Medikamente für Infektionserkrankungen bereitzustellen und zur Unterstützung von Kindern mit chronischen Hautkrankheiten Patient-Empowerment Programme zu fördern“, fassen sie die aktuellen Forderungen zusammen.

PR Bild Prim. Univ.-Prof. Dr. Klemens Rappersberger © feel image, Felicitas Matern
Prim. Univ.-Prof. Dr. Klemens Rappersberger © feel image, Felicitas Matern

Die Österreichische Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie (ÖGDV) ist eine gemeinnützige medizinisch-wissenschaftliche Fachgesellschaft und hat ihren Sitz in Wien. Zweck der Gesellschaft ist die Förderung der wissenschaftlichen Entwicklung und der praktischen Umsetzung des Fachgebietes der Haut- und Geschlechtskrankheiten einschließlich seiner Spezialdisziplinen; das sind Allergologie, Angiologie/Phlebologie, Dermatohistopathologie, Immundermatologie, dermatologische Genetik, operative Dermatologie, dermatologische Onkologie, Proktologie, dermatologische Kosmetologie, Photobiologie und dermatologische Laser- und Strahlentherapie, dermatologische Labordiagnostik, dermatologische Mikrobiologie, die klassischen Geschlechtskrankheiten und die anderen sexuell übertragbaren Erkrankungen (STD), physikalische Dermatotherapie, psychosomatische Dermatologie, Umweltmedizin, das Gutachterwesen sowie die Gesundheitsvorsorge und Rehabilitation im gesamten Gebiet.