Problem des Übergewichts bei Kindern und Jugendlichen in Österreich nicht ernst genommen
Deutsche Studie zur mangelnden Leistungsfähigkeit übergewichtiger Kinder unterstreicht auch hierzulande die Notwendigkeit, endlich effektive Prävention zu starten
Die an diesem Wochenende in Auszügen veröffentlichte deutsche Studie über negative Auswirkungen von Übergewicht auf Schulleistungen bei Kindern schlägt auch hierzulande hohe Wellen. Das Österreichische Akademische Institut für Ernährungsmedizin (ÖAIE) unter der Leitung von Prof. Dr. Kurt Widhalm übt scharfe Kritik am fehlenden Problembewusstsein in Österreich und zeigt gravierende Missstände beim Umgang mit Übergewicht/Fettsucht bei Kindern und Jugendlichen auf.
„Die Studienergebnisse selbst überraschen überhaupt nicht. Überrascht muss man jedoch sein, dass man hierzulande dem Problemkreis Übergewicht/Fettsucht im Kindes- und Jugendalter völlig lethargisch und rat- und tatlos gegenübersteht“, übt Widhalm scharfe Kritik. „Weder gibt es verwertbare flächendeckende Zahlen hinsichtlich der Entwicklung von Gewicht und Größe von allen Schulkindern, noch gibt es wirksame Präventionsprogramme, noch ausreichend zertifizierte Einrichtungen zur Behandlung von Übergewicht im Kindesalter mit entsprechenden Evaluierungen. Auch wenn die Politik sehr bald sagen wird, man wolle das alles bereitstellen, so wird das nicht umsetzbar sein, da in jahrelangen Versäumnissen auf diesem Sektor u.a. die Ausbildung von Fachleuten auf dem Gebiet der Ernährungsstörungen unterblieben ist“, so Widhalm.
Betreuung übergewichtiger Kinder in Österreich nicht professionell
In Deutschland ist für die Tätigkeit in Betreuungseinrichtungen für übergewichtige Kinder eine mindestens einjährige einschlägige Ausbildung mit nachfolgender Zertifizierung notwendig. „In Österreich darf jeder alles: Jede Person, die sich berufen fühlt, kann nach eigenem Gutdünken Ratschläge geben, ohne irgendeine Kompetenz nachweisen zu müssen. Wenn man nachfragt, haben viele dieser Personen noch nie mit übergewichtigen Jugendlichen und Familien längeren Kontakt gehabt“, kritisiert Widhalm den Ist-Zustand in Österreich.
Präventions-Pilotprojekt des ÖAIE in vier Schulen gestartet
Der Österreichische Herzfonds sponsert das erste österreichische wissenschaftlich ausgerichtete Präventionsprojekt, das vom ÖAIE durchgeführt wird und derzeit in vier Wiener Schulen anläuft. Teilnehmende SchülerInnen erhalten unter Einbeziehung der LehrerInnen und Eltern gezielten Ernährungsunterricht und Sport-Trainings, um Gewicht zu reduzieren und somit körperliche Leistungsfähigkeit zu steigern. Mit regelmäßigen begleitenden medizinischen Testungen wird der Erfolg des Projekts gemessen.
„Ziel ist, mit evaluierten Methoden nachhaltig das Ernährungs- und Bewegungsverhalten der 10- bis12-jährigen Kinder günstig zu beeinflussen. Dies erfolgt mit permanenten Schulungen unter Einbeziehung der LehrerInnen und Eltern. Mit Smartphone Apps werden die Kinder über ihre Ernährungsgewohnheiten befragt und nachfolgend Vorschläge für gesünderes Ernährungsverhalten gegeben. Das Ausmaß der körperlichen Aktivität wird mit sog. Accelerometern gemessen, ebenso der Effekt des sportlichen Trainings“, beschreibt Widhalm das Programm.
„Die Ergebnisse von ähnlichen Projekten im Ausland zeigen eine Einbremsung des Anstieges von Übergewicht und können somit als wirksame Maßnahme gegen die Volkskrankheit angesehen werden. Eine verpflichtende Einbeziehung der Schulärzte, deren Aufgaben klar definiert und deren Erfüllung auch kontrolliert werden müssen, ist in Österreich überfällig“, so Widhalm.