„Diskursverweigerung zur Gemeinwohl-Ökonomie in Österreich“ (Werner Kogler, Finanzsprecher der Grünen)
In einer Podiumsdiskussion am 28. Juni 2017 im Haus der Europäischen Union in Wien diskutierten österreichische Politiker, Ökonomen und Wirtschaftstreibende heftig über die Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (EWSA) zur Gemeinwohl-Ökonomie. Der EWSA empfiehlt darin mit einer überwältigenden Mehrheit von 86 Prozent, „das Gemeinwohl-Ökonomie-Modell sowohl in den europäischen als auch die einzelstaatlichen Rechtsrahmen zu integrieren“.
Die Diskutanten fanden auf Einladung der EU-Kommission und des EU-Wirtschafts- und Sozialausschusses in Wien zueinander. Geladen wurden VertreterInnen der politischen Parteien, der Wirtschaft und Wissenschaft sowie eines breiten Spektrums an UmsetzerInnen. Sie diskutierten die Stellungnahme des EWSA – ein Beratergremium der EU-Kommission, des EU-Parlaments und EU-Rates. Der EWSA setzt sich aus 350 VertreterInnen von Arbeitgebern, Arbeitnehmern, Konsumentenschützern, Bauern und Sozialverbänden zusammen und versteht sich als „Brücke“ zwischen den EU-Institutionen und den BürgerInnen. Er kann die Kommission mit „Initiativstellungnahmen“ zur Einleitung von legislativen Maßnahmen anstoßen.
Mangelnder Diskurs, Vorurteile und Roter Khmer-Vergleich in Österreich
„Ich beobachte in Österreich eine bedauerliche Diskursverweigerung zum Thema Gemeinwohl-Ökonomie“, stellte der grüne Finanzsprecher Werner Kogler fest. Nicht erschienen war die Vertreterin des ÖVP Wirtschaftsbundes, die einen wichtigen internationalen Termin wahrnehmen musste, aber auch keinen Vertreter entsandte (wie andere geladene Parteien). In anderen Ländern sei das öffentliche Interesse deutlich größer, berichtete Gemeinwohl-Ökonomie-Initiator Christian Felber: „An der Universität Valencia startet im Herbst der erste Lehrstuhl für Gemeinwohl-Ökonomie, die Universität Barcelona macht gerade die Gemeinwohl-Bilanz. „Täglich beweisen immer mehr Menschen, Unternehmen, Gemeinden und Bildungseinrichtungen, dass der EWSA mit seiner Initiative den Nerv der Zeit getroffen hat“, so Felber.
Auch ein WU-Professor forscht mittlerweile zur Gemeinwohl-Ökonomie. Prof. Michael Müller-Camen plädierte für mehr Zusammenarbeit zwischen den GWÖ-Betrieben und der Wissenschaft. Ganz anders argumentierte Fred Luks, Leiter des Kompetenzzentrums für Nachhaltigkeit der Wirtschaftsuniversität Wien. Er brachte zur Diskussion einen original Schal des Terrorregimes der Roten Khmer mit auf die Bühne und warnte vor dem „populistischen“ Modell der Gemeinwohl-Ökonomie, das wie bei den Rothen Khmer oder bei Stalin von Schreibtischtätern zum Wohle aller entworfen wurde und unter jenen Millionen Tote gekostet hat – sobald es sich als einzig wahres Wirtschaftsmodell verstand und als solches diktatorisch exekutiert wurde. Dem wurde von vielen Seiten entgegnet, dass das Gemeinwohl-Ökonomie-Modell grundsätzlich als offenes, flexibles und demokratisches Modell konzipiert ist und es von seinen Kriterien daher auch gar nicht anders funktionieren kann als demokratisch, partizipativ und plural, wie dies auch in der EWSA-Stellungnahme zum Ausdruck kommt.
Holistischer Ansatz eines nachhaltigen und praxistauglichen Wirtschaftsmodells für sozialen Zusammenhalt
Der einladende Mitinitiator dieses Abends, Mitglied und Berichterstatter des EWSA für die Initiativstellungnahme zur Gemeinwohlökonomie, Carlos Trías Pintó, unterstrich in seiner Keynote die Übereinstimmung von „universell anerkannten Werten wie Menschenwürde, Solidarität, ökologische Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit, Transparenz und demokratische Beteiligung“ mit einem Wirtschaftssystem, das diese Werte erstmals auch wirtschaftlich belohnt – und nicht, wie es der derzeitige Rechtsrahmen für die wirtschaftliche Praxis bewirke, diese tendenziell bestraft. Die Gemeinwohl-Beauftragte des Hotels Auersperg in Salzburg, Jennifer Klink, berichtete, dass die Gemeinwohl-Bilanz den Unternehmen zum Beispiel gegenüber Banken helfe, „sich zu erklären“, wenn sie soziale und ökologische Maßnahmen setzten. Peter Zimmerl, Vorstand der BfG-Genossenschaft, sekundierte, dass die Kreditprüfung in der Zukunft ebensolche sozialen und ökologischen Aspekte mitberücksichtigen müsse.
Eine deutlich positive Stellungnahme zur Gemeinwohl-Ökonomie erfolgte seitens des Bildungssprechers der SPÖ Wien, Heinz Vettermann. Er kündigte an, seitens der Stadt Wien gemeindeeigene Betriebe auf eine mögliche Integration von Gemeinwohl-Ökonomie-Kriterien hin prüfen zu wollen.
Weitere Informationen:
Tagungsprogramm: www.eesc.europa.eu/?i=portal.de.events-and-activities-sustainable-eco–programme
EWSA-Stellungnahme in allen EU-Sprachen: www.eesc.europa.eu/?i=portal.en.eco-opinions&itemCode=34923&_cldee=Y2FybG9zLnRyaWFzQGFzZ2Vjby5vcmc%3d&urlid=4
Informationen zur Gemeinwohl-Ökonomie: www.ecogood.org/de