Architektur und Geschichte der Weinkeller und Kellergassen: Vino Versum Poysdorf zeigt neue Forschungsergebnisse und präsentiert ersten wissenschaftlichen Gesamtüberblick
Neue Sonderausstellung „KELLER.KULTUR.ERBE“ spannt Bogen vom ersten Weinkeller der Antike bis zu Entstehung, Niedergang und Wiedergeburt der Kellergassen im Weinviertel
Die Weinstadt Poysdorf, „Stadt der 30 Kellergassen“ und Kellergassenkompetenzzentrum des Weinviertels, zeigt in der neuen Sonderausstellung „KELLER.KULTUR.ERBE“ des Vino Versums Poysdorf die erstmalig in ihrer Gesamtheit erforschte Geschichte des Weinkellers und der Weinlagerung – von den ersten Kellern der Antike über mittelalterliche Klosterkeller bis zu den weltgrößten Weinkellern in Moldawien mit einer Länge von 120 Kilometern. Einen Schwerpunkt der Sonderausstellung widmen die Kuratoren Günter Fuhrmann und Wolfgang Galler dem Weinviertel und den für diese Region typischen Kellergassen: Neueste Erkenntnisse der Siedlungsforschung zur Entstehung von Kellergassen werden hier ebenso thematisiert wie deren Niedergang aus wirtschaftlichen Gründen im 20. Jahrhundert sowie deren jüngste Renaissance und Bemühungen zum Erhalt des Kulturerbes. Eröffnung der Sonderausstellung „KELLER.KULTUR.ERBE“ ist am 9. April.
Ältester bekannter Weinkeller der Welt in Galiläa rund 3.700 Jahre alt – 2.700 Jahre später erfolgte erste Nennung des Weinbaus im Weinviertel
Die ersten Spuren von Weinbau lassen sich schon vor über 7.000 Jahren im heutigen Georgien und im Irak nachweisen, wo man in Tonkrügen Reste von Traubenkernen fand. Der älteste bislang bekannte Weinkeller der Welt wurde 2013 am Hügel Tel Kabri im Norden von Galiläa entdeckt: In einem Palast der Kanaaiter fand man einen Raum mit 40 Tonamphoren mit einem Gesamtvolumen von 2.000 Litern. Die hohe Weinkultur dieses Volks ist auch durch die Bibel belegt: So brachten die biblischen Kundschafter, die Moses ins Land Kanaan geschickt hatte, von dort eine Riesentraube auf einer Stange mit. Die biblischen Kundschafter sind seit 1667 auch Hauptmotiv des Stadtwappens der Weinstadt Poysdorf.
Erste schriftliche Nennungen des Weinbaus im Weinviertel stammen aus dem 11. Jahrhundert: In Schenkungsurkunden aus den Jahren 1066 und 1067 wurden erstmalig Weingärten nahe dem heutigen Hollabrunn und Baumgarten an der March erwähnt. In weiterer Folge wurde der Weinbau insbesondere von Klöstern vorangetrieben, deren Weinkeller immer größere Ausmaße annahmen.
Entstehung von Weinviertler Kellergassen seit dem 17. Jahrhundert belegt – Hanglage und Hohlwege im Löss bieten Schutz vor Hochwasser und kurze Transportwege
Einhergehend mit einer zunehmenden Klimaverschlechterung seit dem 15. Jahrhundert änderten sich die Weinqualität und damit das Trinkverhalten. Man ging dazu über, Weine länger zu lagern, um den Säureabbau gewährleisten zu können. Die Weingartenflächen im heutigen Weinviertel gingen seit dem 17. Jahrhundert zunehmend in den Besitz der örtlichen bäuerlichen Bevölkerung über, die damit auch neue Verarbeitungs- und Lagerräume schaffen musste.
Dass sich ausgerechnet im Weinviertel Kellergassen herausbildeten, während sie in anderen Weinbaugebieten fehlen, liegt an der speziellen Bodenbeschaffenheit: Lössboden ist gut für die Anlage von Kellern geeignet, Hanglage und Hohlwege erleichterten zudem die Arbeit beim Graben. Weitere Faktoren für die Entstehung von Kellergassen waren die kurzen Transportwege von den Weingärten sowie der Schutz vor Überschwemmungen, die für die in den Niederungen an Bächen gelegenen Dörfern eine stete Gefahr darstellten.
Niedergang und Wiedergeburt der Kellergasse im 20. Jahrhundert: Weinviertel hält Kulturerbe lebendig
In der Nachkriegszeit setzte eine Welle der Modernisierung und Technisierung ein, die den Charakter vieler Weinviertler Kellergassen dauerhaft zerstörte. Einige Presshäuser wurden aufgestockt und zu modernen Wohnhäusern umgebaut, an Stelle der Holzfässer zogen PVC-Tanks ein, ab den 1970er Jahren wurden diese durch Stahltanks ersetzt. Doch das eigentliche Ende der Kellergasse als Orte, an dem der Wein wohnt, kam mit dem radikalen Strukturwandel der Wein- und Landwirtschaft: Gab es 1960 beispielsweise noch 500 Betriebe in Poysdorf und Umgebung, so sind es heute nur noch 30. Viele davon haben ihre Produktions- und Arbeitsstätten nicht mehr in der Kellergasse, sondern in modernen Hallen.
Nahezu zeitgleich mit dem Ende der wirtschaftlichen Bedeutung setzte jedoch auch die Wiederentdeckung der Kellergasse ein. Seit den 1980er Jahren werden ihre Geschichte erforscht, Keller saniert, Kellergassenfeste organisiert und schließlich auch eigene Kellergassenführer ausgebildet, die mittlerweile jährlich Tausende Besucher durch die Kellergassen des Weinviertels führen. Aktueller Höhepunkt der Renaissance der Kellergassen ist die neue Sonderausstellung „KELLER.KULTUR.ERBE“ im Vino Versum Poysdorf, die den Bogen vom ersten Weinkeller der Antike bis zu Entstehung, Niedergang und Wiedergeburt der Kellergassen im Weinviertel spannt und in Kombination mit Kellergassenführungen Geschichte und Tradition erlebbar macht.
Sonderausstellung KELLER.KULTUR.ERBE
Vino Versum Poysdorf
Brünner Straße 28, 2170 Poysdorf
www.vinoversum.at
Ausstellungseröffnung: 9. April (Palmsonntag) um 14 Uhr
Öffnungszeiten: 10. April bis 15. November, täglich von 10 bis 18 Uhr
Eintritt: € 9,50 (Erwachsene), € 8,50 (Studenten, Präsenzdiener, Senioren), € 5 (Kinder und Jugendliche 6-16 Jahre), € 18 (Familienkarte: 2 Erwachsene und bis zu 4 Kinder)
Weitere Informationen unter: www.vinoversum.at