4. Forum Anthropozän: Hoffnung und Begegnung
Die beiden Schlüsselworte zum ausgerufenen «Jahrzehnt der Wiederherstellung von Ökosystemen» bestimmen das 4. Forum Anthropozän vom 17. bis 19. Juni 2021 in Heiligenblut am Großglockner, Nationalpark Hohe Tauern. Eröffnung durch künstlerische Intervention in der Kirche Heiligenblut in interkonfessioneller Andacht.
Das 4. Forum Anthropozän / Natur – Innovation – Verantwortung findet vom 17. bis 19. Juni in Heiligenblut am Großglockner, Nationalpark Hohe Tauern statt. Das wissenschaftliche Forum stellt die Themen „Hoffnung“ und „Begegnung“ in den Fokus. Initiatorin und Mitorganisatorin Sabine Seidler sagt: „„Begegnung“ soll den internationalen und interdisziplinären Austauschgedanken des Forum Anthropozän widerspiegeln. Denn Herausforderungen wie der Klimawandel – wie wir gerade auch in der Pandemie erfahren müssen – können nur im Wissen um globale Zusammenhänge bewältigt werden. Die Hoffnung liegt darin, sich trotz vielfältiger Interessenskonflikte immer wieder neu zu begegnen und dabei das Gemeinsame vor das Trennende zu stellen.“ Unter dem hochkarätig besetzen Teilnehmerfeld finden sich unter anderem Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser, Politökonomin Maja Göpel, Cradle-to-Cradle-Pionier Michael Braungart sowie Meeresbiologin Antje Boetius.
Eröffnet wird das diesjährige Forum Anthropozän / Natur – Innovation – Verantwortung mit einer künstlerischen Intervention in der berühmten Kirche Heiligenblut am Fuße Großglockners, dem höchsten Berg Österreichs. Die in Berlin und Villach lebende Künstlerin Lisa Huber präsentiert im Rahmen einer interkonfessionellen Andacht ihr «Begegnungs-Tuch», welches Bezug nimmt auf ein Bild, das beim Besuch von Papst Franziskus 2015 in Ostafrika entstand.
Hope. UN Decade on Ecosystem Restoration
„Hope“ ist die romantische und mutige Hoffnung auf ein anderes, ein gutes Leben, das Menschen in die stetige Auseinandersetzung mit den Lebensverhältnissen treibt. Einen Schritt zur Auseinandersetzung des Verhältnisses von Mensch und Natur setzen die Vereinten Nationen mit ihrer 2021 begonnen „UN-Dekade zur Wiederherstellung der Ökosysteme“. Die Dekade formuliert den Anspruch zur Regeneration der zerstörten und verletzten Lebenssysteme des Planeten und ruft auf, die Beziehung der Menschheit zur Erde durch ökologische Wiederherstellung in Einklang zu bringen.
LH Peter Kaiser: Wiederherstellung funktionierender Ökosysteme ist die weltweit drängendste Aufgabe
Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser sagt. „Die Wiederherstellung funktionierender Ökosysteme ist die drängendste Aufgabe, der sich die Menschheit insgesamt und die Politik insbesondere weltweit endlich konsequent zu stellen hat. Es sind nicht oft fiktiv anmutende Berechnungen zukünftiger Erderwärmung oder der zentimeterweise Anstieg des Meeresspiegels, der das deutlich macht. Es sind die dramatischen Auswüchse der Klimakatastrophe, die sich immer öfter in ihren verheerenden Folgen wie Waldbrände, Überschwemmungen, Stürme, Schneechaos unmittelbar vor jeder Haustüre ereignen – unabhängig ob in Brasilien, in Australien oder in Afritz in Kärnten. Das ökologische Gleichgewicht ist längst dramatisch aus den Fugen geraten, es wurde aus den Fugen gebracht. Und anders als Klimakatastrophenleugner wie Donald Trump oder Jair Bolsonaro steht für mich fest, dass die Klimakatastrophe von uns Menschen ausgelöst wurde. Darin liegt auch der Grund zur Hoffnung: Denn auch wir Menschen haben es in der Hand, die Klimakatastrophe zu bewältigen und dafür zu sorgen, dass ausbalancierte Ökosysteme wiederhergestellt werden. Dieser Verpflichtung haben wir auch nachzukommen, allein schon aus Verantwortung gegenüber unseren Kindern und allen nachkommenden Generationen. Nicht umsonst ist in Kärnten Nachhaltigkeit in der Landesverfassung festgeschrieben.“
Antje Boetius, Meeresbiologin und Direktorin des Alfred-Wegener-Instituts sagt: „Technisierung und Globalisierung vermitteln vielen Menschen das Gefühl, unabhängig von Natur geworden zu sein, doch das trügt. Wir müssen uns ausfallende Naturleistungen immer teurer und ungerechter zurück kaufen. Gerade weil wir das Holozän schon verlassen haben in Richtung ungewisse anthropozäne Zukunft, geht es nun um globale Verständigung auf Prozesse wie Renaturierung gelingen kann. Doch wer bestimmt, um welche Natur es wo für wen dabei geht?”
Zukunftsforscherin Jule Bosch: Unternehmen können zum Treiber für Ökosystemregeneration werden
Für Jule Bosch, Expertin für innovative Geschäftsmodelle, ist klar: „Wer die Welt retten will, muss eine bessere Party schmeißen als diejenigen, die sie zerstören. Solange wir Nachhaltigkeit mit Verzicht gleichsetzen, kommen wir nicht schnell genug weit genug mit der Veränderung. Die gute Nachricht: Nachhaltigkeit kann auch hedonistisch sein und Unternehmen können vom Planetenzerstörer zum Treiber für Ökosystemregeneration werden. Viele sind es schon – und es werden immer mehr!“
Für den Cradle-to-Cradle-Pionier und wissenschaftlichen Leiter des Hamburger Umweltinstituts, Michael Braungart, ist klar, dass das 1,5 Grad Ziel nicht ausreichen wird. „Wir müssen das Kohlendioxid aus der Atmosphäre aktiv zurückholen, es hat eine Halbwertszeit von über 500 Jahren. Bei den jetzigen Gehalten an Kohlendioxiden in der Atmosphäre zerstört sich der Planet selbst. Wie wäre es, in 10 Jahren nur noch Plastik aus dem CO2 der Atmosphäre herzustellen?“, so Braungart.
Ecosystem Restoration-Sprecher Dahm: Aufbau, die Regeneration des Lebendigen, notwendig
J. Daniel Dahm, Ecosystem Restoration-Sprecher und Club of Rome Germany-Mitglied, sagt: „Als Menschen haben wir die Möglichkeit, ein zukunftsstärkendes Zusammenspiel mit dem lebendig durchwirkten planetaren Lebensraum zu entfalten, der unser Zuhause ist. Zukunftsfähigkeit vereint den Schutz, die Integrität und die Stabilisierung unserer Lebensgrundlagen und der lebendigen Vielfalt der Evolution mit uns Menschen. Um Zukunft für uns lebensdienlich zu gestalten, ist ein (Wieder-)Aufbau, die Regeneration des Lebendigen, notwendig. Es ist die Zeit des Aufstiegs und der Realisierung einer regenerativen Ökonomie mit ihren kulturellen Grundlagen. All jene, die heute mit Herz und Verstand andere, transformative Zukunftsvisionen und Entwicklungspfade einfordern, machen mir Hoffnung, denn sie orientieren sich an den Prinzipien einer ökologisch und kulturell lebendigen Welt, deren 3,8 Milliarden Jahre evolutionäres Spiel uns zeigt, wie sich Vielfalt und Unterschiedlichkeit in dynamischer Balance entfalten kann.“
Der Berliner Philosoph Andreas Weber ergänzt: „Die Natur ist nicht der Ast, auf dem wir sitzen. Die Natur ist der Ast, der wir sind.“
PROGRAMM 4. FORUM ANTHROPOZÄN:
Im ZEIT-GESPRÄCH zum Leitthema „Decade on Ecosystem Restoration“, moderiert von Fritz Habekuß, DIE ZEIT, diskutieren
- in Dr.in Antje Boetius, Meeresbiologin und Direktorin des Alfred-Wegener-Institut in Bremverhaven.
- Jule Bosch, Expertin für innovative Geschäftsmodelle, Innovations- und Transformationsberaterin
- Dr. Michael Braungart, Pionier vom Cradle-to-Cradle-Designprojekt und Professor an der Leuphana Universität Lüneburg.
- J. Daniel Dahm, Spokesperson Ecosystem Restoration, Club of Rome Germany
- Peter Kaiser, amtierender Landeshauptmann von Kärnten
- Andreas Weber, Berliner Philosoph, Sachbuchautor und unabhängiger Gelehrter
Um die Gefährdungen der Ökosysteme und neue Wirtschafts- und Sozialformen und das Thema Sicherheit geht es in weiteren Impulsreferaten von Prof. Michael Braungart, der deutschen Politökonomin und Bestsellerautorin Prof.in Dr.in. Maja Göpel und dem Direktor der CTBTO (Coprehensive Nuclear Test-Ban-Treaty Organization) Lassina Zerbo.
Im Rahmen einer ZUKUNFTSWERKSTATT wird in interdisziplinäre besetzten 2 KLIMA-Labs mit der Design-Thinking-Methode – moderiert von den TrendforscherInnen und BuchautorenInnen Jule und Lukas Bosch an ganz konkreten Klimaschutz und Klimawandelanpassungsprojekten gearbeitet. Schwerpunkte dabei sind die „Klimafitte Nahrung“ und die „Zukunft Nahversorgung“.
Dass Städte und Regionen mit Blick für eine wirtschaftliche, gesellschaftliche und ökologische Nachhaltigkeit dringend smarte Innovationen brauchen, darum geht es in den beiden Vernetzungsworkshops „Smart Cities/Smart Regions“, an welchen auch internationale VertreterInnen von OSZE und OECD teilnehmen werden. Ziel dieser Networking-Session ist gemeinsam mit nationalen und internationalen Vertreter/innen die Herausforderungen und Chancen einer „smarten“ co-evolutionären Entwicklung von Stadt UND Land zu diskutieren und konkreten Handlungsbedarf abzuleiten. Denn um die Herausforderungen des Anthropozäns – allen voran des Klimawandels – bewältigen zu können braucht es nachhaltige, innovationsfähige, resiliente Städte UND Regionen.
Weiteren Kunst-Genuss & Geselliges Beisammensein gibt es bei der Vernissage „in the undergrowth“ von Anna Kramm & Max Seibald im my space und auf SCHOTTNKRAPFN-PARTY im Schlössl Großkirchheim.
Während dem FORUM ANTHROPOZÄN bietet der Nationalpark Hohe Tauern ein 2-tägiges NPHT-Kinder- und Jugendprogramm an. Informationen dazu im VOR-ORT-Programm.
ONLINE-Forum Anthropozän: Das ZEIT-GESPRÄCH und die 3 IMPULSREFERATE von Michael Braungart, Maja Göpel und Lassina Zerbo können auch ONLINE mitverfolgt werden. Es gibt die Möglichkeit via ZOOM an den Diskussionen teilzunehmen.
Flankierend zum Forum Anthropozän wird von März bis Juli 2021 die ONLINE RINGVORLESUNG „Anthropozän/Anthropocene“ mit Vorträgen, wie beispielsweise vom Erdsystemwissenschaftler Will Steffen, der maßgeblich die Idee des Anthropozäns mitgeprägt hat, durchgeführt. Die Ringvorlesung ist eine Kooperation des Forum Anthropozän mit dem Vienna Anthropocene Network der Universität Wien und der Paris-Lodron-Universität Salzburg. Das Besondere daran: Es können neben Studierenden auch extern Interessierte kostenlos daran teilnehmen. Anmeldungen unter: https://www.forum-anthropozaen.com/de/kooperationen/van
Tickets & Programmfolder: https://www.forum-anthropozaen.com/de/tickets
Weitere Informationen unter: www.forum-anthropozaen.com
—
Das Forum Anthropozän geht seit 2018 interdisziplinär der Frage nach, wie sich Menschen wieder verstärkt als Einheit mit der Natur verstehen und erleben können und wie Innovationen eine nachhaltige Entwicklung fördern kann und wie der globale Wandel auch als Chance für eine bewusste Gestaltung der künftigen Erde betrachtet werden kann. Weitere Informationen gibt es unter www.forum-anthropozaen.com
Die Diagnose des Anthropozäns geht von der Beobachtung aus, dass die Oberfläche der Erde, und damit auch die Lebensbedingungen für Flora und Fauna, durch die Handlungen von Menschen global rasant und in sehr großem Stil verändert werden. Inspiriert zu einem neuen Blick auf die Erde als Lebensraum, stellt das Anthropozän die Menschheit vor ganz neue Verantwortlichkeiten.
Der Begriff Anthropozän (Anthropos = Mensch, Zän = Erdzeitalter) bezeichnet den Eintritt in eine neue, vom Menschen geprägte Epoche der Erdgeschichte. Er wurde 2002 von dem Atmosphärenchemiker und Nobelpreisträger Paul J. Crutzen in den wissenschaftlichen Diskurs eingeführt.